tin and paint

 

 


Dieser Katalog erschien anlässlich der Ausstellung

 

tin and paint - Ulrich J. Wolff

in der Galerie Knecht und Burster - Karlsruhe

Text - Dr. Günter Baumann - 2019
21 cm x 30 cm 30 Seiten

 

Ulrich J. Wolff – tin and paint

 
© Dr. Günter Baumann, eg.baumann@t-online.de

Liebe Freunde der Kunst, ich freue mich, nach wohl einigen Jahren einmal mehr eine Ausstellung in der Galerie Knecht und Burster eröffnen zu dürfen – euch herzlichen Dank für die Einladung: Liebe Alf, gerne bin ich deiner Anfrage gefolgt, einige Worte über Ulrich J. Wolff zu sagen, den ich hier so herzlich begrüße wie Sie, verehrte Damen und Herren. Es ist vielleicht ungewöhnlich, dass ein Galerist die Ausstellung eines Kollegen eröffnet, was ich ein wenig bedaure: In Zeiten, wo der Wellengang nicht nur ökologisch und gesellschaftlich bedingt höher schlägt als in ruhigeren Verhältnissen, sondern auch in unserer Kunstbranche, sollten die Galerien zusammenrücken. Es hat ohnehin jede ihr eigenes Profil, und es schadet nicht, den Künstlern eines Kollegen Respekt zu zollen. Wir sitzen schließlich in einem Boot. Und da ich grade für die Zunft beim Werbeblock bin, sei darauf hingewiesen, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass im Februar hier die wichtigste Kunstmesse in Baden-Württemberg stattfindet, wo Sie nicht nur den Stand der Galerie Knecht und Burster finden, sondern auch – beispielsweise – den der Galerie Schlichtenmaier. Was dort gilt, ist übrigens auch in den jeweiligen Galerien selbst möglich, welche auch immer: Kunst ist käuflich. Und Kunst war noch nie so vielfältig wie in den letzten 40 Jahren.
Damit bin ich auch schon bei der Ausstellung mit Arbeiten des Grafikers, Malers, Zeichners, Objekt-, Foto- und Buchkünstlers Ulrich J. Wolff. Der Werbeblock war denn auch zugleich eine Art Trailer für die Eröffnungsrede. Wenn ich die ökologischen und gesellschaftlichen Verhältnisse angesprochen habe, so wollte ich damit nicht signalisieren, dass früher alles besser war. Dass ein Werk wie das von Ulrich j. Wolff entsteht, hat aber tatsächlich mit dem Reflex auf unsere Welt zu tun, in der den Mega-Cities die Luft ausgeht und die Wälder, die für unseren Sauerstoffhaushalt zuständig sind, rücksichtslos verkleinert werden. Nicht von ungefähr nimmt sich der Künstler hier die Themen Stadt und Wald vor. Darauf komme ich noch intensiver zurück. Zunächst will ich noch etwas zur Technik sagen, der sie hier im wesentlichen begegnen. Was Sie in der Ausstellung sehen, sind zum größten Teil Grafiken, genauer: Foto-Aquatinta-Radierungen. Das sagt sich so leicht. Doch müssen wir vorsichtig sein, wenn wir eine solche Aussage gleichsetzen mit der nicht einmal ganz falschen Erkenntnis: Was Sie hier sehen, sind Grafiken. Als Galerist weiß ich, was es bedeutet zu sagen: Wir bieten Grafiken an, da klingelt gleich im Kopf des Schnäppchen-Betrachters ein Lidl- oder Primark-Täfelchen hoch, auf dem steht: billig billig, und der kunstsinnige Schöngeist, der Sie alle sind, wird zurecht sagen: Es geht um Reproduktionen, Vielfachware, im Wert folgerichtig unterhalb der Primärgattungen Malerei oder Plastik gehandelt. Ulrich J. Wolff, seit 1984 Lehrer für Radierung und Siebdruck an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe, versteht seine Arbeiten als »Malerei auf Zink«, was doppelt stutzig macht, wenn Sie auf den Druckplatten auch noch fotografische Motive sehen. Es ist also mit der Klassifizierung nicht so einfach. »tin and paint« nennt er seine Ausstellung – Zinn und Farbe bzw. Bemalung –: er spricht also lieber von Materialien und Mitteln, statt von Techniken. Der Sachverhalt ist hier auf jeden Fall komplizierter. Wenn ich darüber hinaus noch sage, dass wir es in diesen Arbeiten im wesentlichen mit Originalen zu tun haben, sind wir immerhin schon so weit zu erkennen: Die Grafik steht der Malerei oder anderen Kunstgattungen in nichts nach.
Nun ist das keine neue Erkenntnis. Grenzüberschreitungen sind gang und gäbe in der jüngeren Kunstgeschichte. Ulrich J. Wolff gehört zu den absoluten Könnern im grafischen Gewerbe, die selbst innerhalb der Gattung mit ihrem Material experimentieren und mischen. Volker Lehnert – ein Kollege von der Stuttgarter Kunstakademie – macht das auch, bringt Hochdruck und Flachdruck zusammen, wie Wolff Tief- und Durchdruck: sprich, Radierung und Siebdruck kombiniert. Aber auch zur Malerei sind die Übergänge fließend. Man könnte unzählige Künstler nennen, die alles ausloten, um die Grafik zu individualisieren: HAP Grieshaber zuweilen, Robert Förch, Gert Fabritius und wer sonst noch alles, alle auf ihre je besondere Weise. Was ich mit diesem kleinen Exkurs sagen möchte, ist: Wir müssen unsere Vorstellung von Grafik grundlegend korrigieren – damit aber auch unsere Wahrnehmung von der Zeit. Wenn ich durchdiese Ausstellung flaniere und über die Wahrnehmung von Wirklichkeit nachdenke – gerade im Zusammenhang mit dem Einsatz fototechnischer Mittel –, will ich eine steile These in den Raum stellen: mindestens ein halbes Jahrhundert galt das, was Walter Benjamin 1935 schrieb über das »Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit«. Der Essay ist bis heute ein Meisterwerk der gesellschaftlichen Analyse. Gültig ist nach wie vor die Erkenntnis, dass die Kunstrezeption einem stetigen Wandel unterworfen ist. Durch die massenhafte Verbreitung von Kunst – Walter Benjamin denkt nicht nur an die Druckgrafik, sondern besonders an die Fotografie und den Film – werde die kollektive Wahrnehmung verändert. Er sah die Aura eines Kunstwerks im Verschwinden und fürchtete die Vereinnahmung durch Ideologien. Angesichts der Propaganda-Maschinerien des Faschismus und Nationalsozialismus wusste er, wovon er Mitte der 1930er Jahre sprach. Im Positiven erkannte er aber auch an, dass die Vervielfältigungstechniken auch eine sozial emanzipierte Gesellschaft hervorbringen könnte. Die analogen Techniken sind längst von den digitalen abgelöst worden, so dass Fiktion und Wirklichkeit nicht mehr scharf unterschieden werden können.Was ist der Befund, wenn wir uns in der Ausstellung umschauen: Zum einen sehen wir fotografierte Motive, müssen aber konstatieren, dass es sich um keine Papierabzüge handelt, sondern um sogenannte Foto-Aquatintas, wir können auch Foto-Ätzungen sagen. Inwiefern ändert sich nun die Wahrnehmung? Ich gehe zur Beantwortung nochmal einen Schritt zurück: Wir haben alle eine Vorstellung vom Fotografen, der ein Motiv ins Visier nimmt, am Ende haben wir vielleicht einen Papierabzug in der Hand und wissen – da stand der Künstler, dort war der Gegenstand oder eine Person, das Ergebnis vermittelte, ohne dass es Probleme einer Vermischung der Ebenen gab, selbst wenn wir weder den Künstler bei der Arbeit noch das Motiv wirklich gesehen haben. Gefährlich wird es nun bei der Manipulation, wenn sie zur Suggestion beiträgt: Alle Ideologen wussten Bescheid, dass man die Menschen steuern kann, die von der Realität des Motivs ausgehen und nicht durchschauen können, wie jemand an dieser Realität herumgebastelt hat. Das ist Schnee von gestern: Wir werden heute in eine virtuelle Realität entführt, die ihre eigene Wirklichkeit entfaltet, die uns Betrachtern oft realer vorkommt als jede echte Wirklichkeit. Wir werden von medialen Bildern bestimmt und geprägt, gegen die manche Realität fiktive Züge annimmt. Wie gehen Künstler mit solchen verlockenden Möglichkeiten um? Ich spreche nicht von Medien- oder Computerkünstlern, bleibe bei den Künstlern, die wiederum auf die geänderte Wahrnehmung reagieren, die darüber reflektieren und auch experimentieren. Ulrich J. Wolff holt seine Motive teilweise aus dem Internet – jedenfalls digitale Aufnahmen, die von der Auflösung zwar für Bildschirme geschaffen, aber von ihm in teils monumentaler Vergrößerung auf die Druckplatte aufgebracht und bearbeitet wurden. Die dadurch manifestierten Unschärfen sind gewollt.Die Welt der Ästhetik ist bei weitem komplexer, als sie es zu Zeiten Walter Benjamins war. Wir sehen Fotografien, die aus dem digitalen Raum in einen anderen übertragen wurden, von wo aus die veränderte und überblendete Vorlage säurebehandelt auf eine Zinkplatte aufgebracht wurde. Derart vielfach gebrochen, zeigt sich uns die Wirklichkeit über eine virtuelle Zwischenstufe als wiederum fiktive Radierung. Wo die dargestellten Wälder stehen, wissen wir nicht, wo die Wolkenkratzer zu verorten sind, ist unerheblich. Stadt wird zum Moloch und Spiel zugleich, der Wald zum undurchdringbaren Märchenforst und zugleich zum gefährdeten Funktionsraum. Nahezu alle Arbeiten, die Sie hier sehen, sind – wie die Legende ausweist – Unikatradierungen. Es kann also schon deshalb nicht mehr allein um das »Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit« gehen. In Zeiten, wo die Grenzen von Kunstwerk und Leben selbst fließend geworden sind, könnte man einen anderen Slogan in den Raum stellen: Das Leben im Zeitalter seiner virtuellen Originalität. Die Drastik von Wolffs Werk rührt an unser unmittelbares Verhältnis zu unserem Dasein. Man kann – von den Auflagen-Editionen abgesehen – die Arbeiten nicht eins zu eins vervielfältigen, sie sind Einzelstücke, vor die wir treten und vor denen wir nicht umhin kommen, unser Verhältnis zur Außenwelt zu überdenken.
Was macht die Stadt mit mir, was der Wald, was der Berg. Ich behaupte, dass wir vor der realen Unwirklichkeit oder wirklichen Surrealität der Wolffschen Bildsprache wieder bewusster, auch kritischer mit unserem Sein umzugehen lernen. Wir sind latent in einemgesellschaftlichen Diskurs. Das Kultivieren einer Unikatgrafik ist auch ein Bekenntnis zur Originalität unseres Lebens, das ja selbst nicht mehr sicher ist vor der Reproduktion. Ulrich j. Wolff zeigt uns die Einzigartigkeit einer Motivwelt auf, die sich aus der Vervielfältigung von anonymen oder anonymisierten Versatzstücken heraus neu erfunden hat.In der Ausstellung führt uns der Künstler bis zum Urgrund seines Tuns – kurioserweise in der Offenbarung der grafischen Technik als potenziellem Reproduktionsverfahren – habe ich doch vorhin behauptet, dass er gegen die Vervielfältigungs-Kultur angeht, oder soll ich hier sogar von der Unkultur sprechen, alles nach Belieben reproduzieren zu können? Gleich rechts vom Eingang empfängt Sie ein riesengroßes Leporello aus Titanzink, bestehend aus ausgedienten Tiefdruckplatten, die seitlich verschraubt in einen eindrucksvollen Flyer verwandelt wurden. Der vordere Titelaufdruck auf Leinen verknüpft die Tätigkeit des Druckens mit der Zeit, genauer der Lebenszeit – denn wenn wir mit dem grafischen Schaffen des Künstlers vertraut sind, erkennen wir die unterschiedlichen Motive aus vergangenen Jahren wieder, und zwar seitenverkehrt. So vergegenwärtigen wir die Technik des Druckens als handwerklich anspruchsvollste Tätigkeit, deren Ergebnis in der Regel in mehreren Druckvorgängen mit verschiedenen Platten entsteht. Auch hier dürfen wir fragen: Ist die Darstellung auf der Platte die richtige, das heißt auch: wirkliche? Oder ist es die abgedruckte, seitenverkehrte Darstellung? Es gibt im Werk auch Beispiele von Radierungen mit gespiegelten Seiten, die etwa Hochhauskanten vorgaukeln, die keine sind, die mal nach außen zu ragen scheinen, mal nach innen zurückweichen.
Übrigens wird der metallene Leporello in seiner aufgeklappten Form zu einer Raumplastik, die ein weiteres Phänomen der Wolffschen Kunst vorführt: das Anliegen von Fläche und Raum. Aber noch eins macht das entfaltete Zinkobjekt deutlich: Wir sehen eine Art Werkbiographie vor uns. In den Katalogen oder den Arbeiten aus der Homepage ließe sich ein Zeitbild erstellen. Auf jeden Fall ist das Metallgestell ein Archiv der persönlichen Erinnerung, der gelebten Kunst und somit des gelebten Lebens: des Künstlerlebens, aber auch des Lebens schlechthin. Meine sehr geehrte Damen und Herren, im hinteren Teil der Ausstellung finden Sie eine Buchkassette vor, aus der sich auch ein leporelloartiger Bildverlauf herausfalten lässt. Sie ist dem »StadtMenschen« gewidmet, der Schreibung nach in der Doppelung des Wortes: Stadt einerseits, Mensch andrerseits, kurzum Lebenswelten, die so anonymisiert sind, dass sie Allgemeingültigkeit erlangen. Vorwiegend in Schwarz getaucht, werden die hier und da aufscheinenden Lichter zu geheimnisvollen Zeichen, die durchaus auratische Wirkung haben und tausenderlei Fragen aufwerfen über unser Verhältnis zur rätselhaften Stadt, zum unbekannten Mitmenschen, zum Werden und Vergehen.»Für mich ist Kunst ein großes Abenteuer«, bekennt Ulrich J. Wolff, »ein Experiment, ein Entdecken« noch dazu. Und er fährt fort: »Für mich ist es nicht möglich, Kunst vom Künstler zu trennen, nicht von seinem Leben, nicht von seiner Erfahrung. Daher ist meine Kunst nicht in erster Linie, sondern bis zu einem gewissen Grad biographisch, sozial und politisch.« Spätestens vor dem »Lampedusa«-Bild bemerken wir, dass es Wolff um mehr geht als um Berge, Wälder, Schiffe… Und nicht zu vergessen, ist die Kunst auch hochgradig ästhetisch – seine Architektur folgt konstruktiven Gesetzen, wie auch die Waldmotive kompositionell gebaut, ja dramaturgisch inszeniert sind – und sei es in einem monumentalen Feigenbaum, der das ganze Format einnimmt und sich so in Pose setzt, dass die Natur selbst als Baumeisterin in Erscheinung tritt. Und dann die Berge: Sie lassen einem den Atem stocken, setzen sich aus Schneefeldern und Geröllhalden, Talsenken und Gebirgskuppen zusammen. Aus den Landschaften spricht ein Pathos, das ganz eigene Realitäten schafft – man betrachte das »Wasser«-Bild im Flur, welches Meer und Wolken in einem evoziert.
Kennzeichnend für die Arbeiten des Künstlers ist die schwarz-grau-weiße Anmutung, die jedoch immer wieder farbig unterwandert oder überlagert wird. Ganz und gar charakteristisch sind die Schwarzweiß-Radierungen, an deren rechter oder linker Seite oft ein farbiges Feld im Siebdruck platziert ist. Hier und da schimmert schwach die Foto-Radierung durch den Farbstreifen hindurch. Der Effekt ist enorm: einerseits sieht der Betrachter spätestens in der Nahsicht eine realitätsnahe Stadt- oder Waldlandschaft, flankiert von einem motivfernen Farbstreifen, der wieein Reflex auf Barnett Newmans Diktum von der Angst vor Rot oder Gelb oder Blau wirkt. Es geht Wolff jedoch um das Gleichgewicht abstrakter und gegenständlicher Elemente, um kontrastive Alternativen einer geometrisch konzipierten Monochromie gegenüber der schwarzweißen Motivfiktion, auch um die malerische Qualität des Ganzen – auch in den schwarzen Bereichen zu intensivieren. Die erzielt er auch durch die Prägungen auf dem Büttenpapier: Ein Druck wäre traditionell flach, aber durch die fallweise einkalkulierte Einprägung entsteht eine dezent reliefierte Oberfläche, die nicht drucktypisch ist, eher einem erhabenen Farbauftrag entspricht.Die Räumlichkeit in der Fläche und die Oberfläche als Raumstruktur liegen in den bisher besprochenen Natur- und Stadtthemen nahe, sind aber auch an sich experimentelle Elemente im Oeuvre von Ulrich J. Wolff. Das wird deutlich in der Serie von Unikat-Objekt-Radierungen, die in der Ausstellung einen eigenen Komplex bilden. Strahlenförmige, linear konstruierte und vernetzt angelegte Strukturen in der Fläche werden mit Holz- und Metallstäben dreidimensional aufgehöht, so dass sich die Raumillusion in der Fläche mit der freien Raumstruktur ergänzen und vermischen. Auch hier entstehen neue fiktive Bilder aus vorgegebenen realitätsnahen und realistisch-dinglichen Vorgaben.
Ulrich J. Wolff erzählt in seinen Bildern Geschichten, die er grundsätzlich offen lässt. Er führt sie über Motivreihen oder über Künstlerbücher in Form von Leporellos weiter. Er denkt aber nicht nur erzählerisch, sondern auch prozessual, was sowohl in seinen experimentellen Techniken als auch in seinen baulichen bzw. naturnah konstruierten Motiven wie Häuserfassaden, Baumgruppen oder Gebirgsketten sichtbar wird. Wolff selbst schreibt dazu: »Ich experimentiere mit verschiedenen Möglichkeiten, versuche die Grenzen des Materials und der Praktikabilität auszuloten.
Und in diesem Prozess bin ich selbst sehr gespannt, wohin mich das alles führen wird. Diese Zustände der Unsicherheit erregen mich, in denen es nicht bekannt ist, wohin die Reise führt. An diesem Punkt wird Kunst zum Abenteuer, sie wird zur Expedition ins Unbekannte.«Ich komme am Ende meiner Ausführungen noch einmal auf Walter Benjamins eingangs erwähnten Aufsatz zu sprechen, den er mit einem Zitat des Dichters Paul Valérys einleitet, das im Hinblick auf das digitale Zeitalter heute so erhellend ist wie einst hinsichtlich der medialen Neuerungen durch Film und Fotografie: » Man muss sich darauf gefasst machen, dass so große Neuerungen die gesamte Technik der Künste verändern, dadurch die Invention selbst beeinflussen und schließlich vielleicht dazu gelangen werden, den Begriff der Kunst selbst auf die zauberhafteste Art zu verändern.« Dazu holt Ulrich J. Wolff etwas zurück, das Benjamin durch die Vermassung der Künste verloren glaubte: die Aura. Der Philosoph befreite den Begriff von seiner esoterischen Prägung und beschrieb die Aura als Phänomen, als »einmalige Erscheinung einer Ferne, so nah sie sein mag«. Im Zeitalter der Reproduzierbarkeit, wo ein Kunstwerk immer und überall verfügbar ist, verliert sich die Aura, deren Wesenskern durch die »Einmaligkeit«, die »Echtheit« und die »Unnahbarkeit« bestimmt ist. Indem Ulrich J. Wolff diese Faktoren durch seine Unikatdrucke, den fotonahen Eindruck sowie die distanzschaffende Schwarzweiß-Optik für sein Werk zurückholt, verleiht er seinen Arbeiten – am reinsten in seinem breiten Gebirgsdiptychon – eine faszinierende und tatsächlich auratische Wirkung, die ihresgleichen in der Technik der Grafik sucht.

© Dr. Günter Baumann, eg.baumann@t-online.de

                                                                                           

 
 Katalogabbildung
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